Was ist unter einem Trauma zu verstehen?

«Trauma», griechisch, heisst Wunde, Verletzung. Mit diesem Ausdruck werden die den Organismus schädigende (gleich «traumatisierende») Einwirkungen von aussen und der daraus entstandene Schaden bezeichnet. Medizinisch unterscheidet man zwei Traumaformen:

Das körperliche Trauma

Es betrifft jede Verletzung durch von aussen einwirkende physikalische oder mechanische Kräfte oder chemische Faktoren. Unterschieden wird nach Art und Mechanismus der Verletzung(en), im Weiteren nach offenen, geschlossenen, einfachen, komplizierten, penetrierenden oder Poly-Traumen. Ein Schleudertrauma ohne Brüche oder anderweitige äusserlich oder innerlich sichtbare Organverletzung im Hals-Kopf-Bereich zählt zu den geschlossenen.

Das psychische Trauma

Dies basiert auf einem – meist von schweren emotionalen Erschütterungen und Konflikten bestimmtes – Erlebnis (v.a. in früher Kindheit, in Ausnahmesituationen oder sexueller Art), das vom Individuum nicht adäquat verarbeitet werden kann und daher aus dem Bewusstsein verdrängt wird, zur Charakterbildung im Reichianischen und Lowen’schen Sinn beiträgt und evtl. auch zu einer Neurose führt).

Verschiedene Traumatisierungen sind ineinander verschlungen

Ein Schleudertrauma muss nicht, kann aber einer «Zündschnur» gleichen. Passiert das, werden frühere bis zum Unfallereignis nicht mehr störende Schädigungen wieder «wach», d.h.  ältere Vorkommnisse, welche scheinbar folgenlos «weggesteckt» worden sind, melden sich zurück. Diese Vielschichtigkeit wird leider auch dazu benutzt, um Opfer eines Schleuder- oder HWS-Distorsionstraumas zu diffamieren und sie in ihren Versicherungsrechten zu beeinträchtigen.

Einzelne Therapiemethoden berücksichtigen die Initialzündung, die ein körperliches Trauma (ein schwerer Sturz, ein Aufprall etc.) bedeutet, und entwickeln einen Umgang damit. Eine allgemeine Bekanntheit der möglichen Ausweitungen kann man in der Medizin und der Psychotherapie jedoch nicht voraussetzen. Hilfreich sind Therapien, die möglichst viele der betroffenen Ebenen mit einbeziehen. Somatic Experiencing® hat sich als hoch wirksames und zugleich sehr respektvollen und sanftes Neuverhandeln alter Schmerzen, Einbussen und /oder Defizite der Entwicklung erwiesen. Die Arbeit an den ineinander verschlungenen Einschränkungen, auch Traumatisierungen, ist von sehr grosser praktischer Bedeutung. Sie kommt bei vielen Trauma-Betroffenen vor.

Klientinnen und Klienten haben oft einen erstaunlichen Gewinn davon, wenn sie anfangen, sich durch diese Vielschichtigkeit hindurchzubewegen, anstatt in ihr stecken zu bleiben. Sie erleben, wie sich ihre Einschränkungen, Lebensthemen oder aktuellen Traumatisierungen verändern. Sie berichten, dass ihr Alltag weniger anstrengend und oft auch reicher wird.

Ich praktiziere Somatic Experiencing® seit zwölf Jahren und verbinde es mit meinem psychanalytischen Hintergrund, der craniosacralen Therapie und dreissig Jahren Seelsorge sowie einer eigenen Erfahrung mit dem Schleudertrauma.

Was erlebe ich, wenn ich traumatisiert bin?

Eine Traumatisierung wird so erlebt, als sei die eigene Existenz bedroht. Die ist bei schwerwiegenden Ereignissen leicht einsehbar, was aber, wenn dieses Empfinden nach einem lapidaren Sturz, einem Bagatell-Unfall im Auto oder nach einem «ganz gewöhnlichen» Ereignis wie Todesfall in der Familie, Scheidung, Schulversagen etc. auftritt? Zu einer Traumatisierung gehören Gefühle des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit, des Versagens. Auch Schuld und Scham sind häufige Begleiter, sogar und besonders schwer verständlich, wenn ein fremdverursachter Schaden oder einfach etwas ganz Menschliches der Auslöser war. Meistens versuchen Betroffene ihre Gefühle tapfer wegzustecken und so zu tun, als sei alles halb so schlimm und die Sache in ihrem Griff. Doch nebst den psychischen Folgen sind es die veränderten Reaktionen des vegetativen Nervensystems, die genau das verhindern. Schon kleine und kleinste Folgeereignisse können nun «zu viel» sein und unangemessene Reaktionen hervorrufen. Wutanfälle, Schlafstörungen, sich nicht mehr konzentrieren können, an sich selber und der Zukunft zweifeln gehören dazu. Oft wird es schwierig, den Alltag zu bewältigen. Im Inneren hat sich sehr viel Stress aufgebaut. Nun werden viele Situationen vermieden, der Lebensspielraum wird eingeschränkt, das «irgendwie über die Runden kommen» erscheint als Hauptaufgabe. Menschliche Beziehungen leiden. Manchmal gelingt aber das «Wegstecken». Doch der Preis ist hoch. Auch wenn Betroffene nichts mehr vom Ereignis wissen wollen, die Erinnerung daran begreiflicherweise meiden oder es sogar vergessen haben, untergräbt der innere, nicht abgebaute Überlebensstress so Vieles. Panikattacken, Alpträume, Essstörungen, Phobien, Süchte und andere Symptome, die sich nicht mehr so leicht mit einer Traumatisierung assoziieren lassen, tauchen auf.

Was erlebe ich, wenn ich SE-Arbeit mache?

Somatic Experiencing nutzt den Körper als Heiler. Nicht der Therapeut oder die Therapeutin «weiss», was zu tun ist, sondern der eigene Körper (samt Geist und Seele) hilft den Weg durch alle die Reaktionen zu finden, die dieser bestimmte Mensch mit seiner einmaligen Erfahrung braucht, um zu einer Neuorganisation des körperlich-seelischen Erlebens zu kommen, die wieder frei ist für den ganzen kreativen Lebensfluss.
Bei der Trauma-Heilung mit Somatic Experiencing ist es nicht nötig, sich peinvoll und schmerzlich an das Geschehene zu erinnern. Vielmehr wird im Spiegel des Körperprozesses im Hier und Jetzt gearbeitet, wo man sicher ist vor den Übergriffen und Grenzverletzungen der Vergangenheit. Therapeut(in) und Klient(in) entwickeln auf bequemen Stühlen sitzend, von Stunde zu Stunde einen kleinen «Trauma-Heilungs-Dialog». Es sieht oft aus, als unterhalte man sich ein bisschen. Doch wird immer der Körper miteinbezogen, auf den der/die Klient/in mehr und mehr zu hören lernt.
Somatic Experiencing ist ein pädagogisches Projekt, indem dem Klienten oder der Klientin stets auch der Sinn und der Zusammenhang dessen vermittelt wird, was während der Traumatherapie geschieht.
Die psycho-physiologischen Reaktionen, die durch die Traumatisierung verändert und entstellt wurden, werden wieder zugänglich gemacht. Ob dafür das Wort «Heilung» gebraucht wird oder man lieber von einem Weg zur Besserung sprechen will, ist Ansichtssache. Weltweit haben mehrere hundert, darunter sehr schwer traumatisierte Menschen, sich von den lästigen Symptomen befreien und darüber hinaus noch wesentliche Impulse für ihr eigenes Leben empfangen können.

Literaturempfehlungen zum Thema
Das Erwachen des Tigers. Unsere Făhigkeit, traumatische Erfahrungen zu transformieren
von Peter A. Levine
265 SEITEN | Verlag: Sythesis | 1998 | ISBN 978-3-922026-91-4 |
Verwundete Kinderseelen heilen - Wie Kinder und Jugendliche traumatische Erlebnisse überwinden können
von Maggie Kline
357 Seiten │ Verlag: Kösel │ 2007 │ ISBN 978-3-466-30684-8

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